Russlands Einfluss nach Assads Sturz gefährdet – DW – 09.01.2025
Nach dem Sturz von Diktator Baschar al-Assad fürchtet Russland um seine Militärstützpunkte in Syrien. Der Marinestützpunkt in Tartus und der Luftwaffenstützpunkt in Hmeimim sind Russlands einzige militärische Außenposten außerhalb der ehemaligen Sowjetunion.
Und sie spielen eine Schlüsselrolle für die Aktivitäten des Kreml in Afrika und im Nahen Osten. So dürfte der Verlust der russischen Militärstützpunkte in Syrien verheerende Folgen für Russlands Afrika-Korps (die frühere Söldnergruppe Wagner) haben, das in Mali, Burkina Faso, Niger, der Zentralafrikanischen Republik und in Libyen präsent ist.
Syrien als Schlüssel für diskrete Operationen
Ulf Laessing leitet das Sahel-Programm der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die der konservativen CDU nahesteht. Für ihn ist ein entscheidender Faktor, dass Russland in Syrien bereits eine gigantische Militäroperation betrieb. Mit Bodentruppen, Munition und Luftangriffen habe Moskau das Assad-Regime unterstützt, betont Laessing im DW-Gespräch: “Die Afrika-Kooperation konnte so mitgeführt werden, denn man hatte sowieso Materialien in Syrien gelagert, Techniker und Wagner-Personal waren auch vor Ort.”
Seit den 1970-er Jahren betreibe Russland den Marinestützpunkt in Tartus, erläutert Laessing. So habe Moskau diskret Waffenmaterial und Fahrzeuge mit zivilen Schiffen aus Russland dort hinbringen können, die dann über den Luftwaffenstützpunkt zu den Einsatzorten in Mali, Burkina Faso und anderen Ländern gelangten.
Da Syrien international isoliert und abhängig von der russischen Unterstützung war, habe Russland frei agieren können, auch unbeobachtet von Journalisten und Diplomaten.
Dass Russlands Drehkreuz in Syrien nun gefährdet ist, könnte auch den Islamisten im Sahel in die Hände spielen. So sieht es Beverly Ochieng, Sicherheitsanalystin bei der Risikoberatungsfirma Control Risks im Senegal. “Wir haben gesehen, wie die Al-Kaida-Gruppe in Mali die Ereignisse in Syrien gefeiert hat und sie als möglichen Ansatzpunkt für eine weitere Untergrabung der Zusammenarbeit zwischen Russland und Mali betrachtet”, sagte sie der BBC.
Sahelstaaten “potenziell gefährdet”
Die Militärregime in Mali, Burkina Faso und Niger hatten Frankreich gezwungen, seine Truppen abzuziehen, die es zur Unterstützung im Kampf gegen dschihadistische Gruppen entsandt hatte, und sich stattdessen an Russland als militärischen Partner gewandt.
Burkina Faso und Niger müssen jetzt laut Ochieng möglicherweise noch viel länger auf zusätzliche Einsatzkräfte oder Paramilitärs warten: Sie hätten westliche Truppen verdrängt, aber warteten auf eine Verstärkung der russischen Unterstützung.
“Diese beiden Länder sind potenziell gefährdet”, sagt Ochieng. Sie müssten mit der Ausbildung lokaler Kräfte beginnen oder nach anderen Möglichkeiten suchen, um ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken.
Wohin könnte Russland ausweichen?
Ein möglicher Rückzug aus Syrien wirft die Frage nach Ersatzstandorten auf. Der Sudan scheint offen dafür zu sein, Russland einen Marinestützpunkt in Port Sudan einzurichten, der Russland einen wichtigen Zugang zum Roten Meer verschaffen würde. Doch bis nach Mali ist es weit – und die Infrastruktur in schlechtem Zustand.
Der Konflikt im Sudan sei allerdings für Russland wichtig, denn durch seine Beteiligung finanziere das Land sich selbst und den Krieg in der Ukraine, sagt Hager Ali im DW-Interview. Die Politikwissenschaftlerin forscht am GIGA-Institut für Nahoststudien mit Sitz in Hamburg. Russland beliefere sowohl die sudanesischen Streitkräfte als auch die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF), die sie bekämpfen, mit Waffen – und sichere sich so den Zugang zu Goldminen.
“Das Anheizen des Krieges im Sudan trägt dazu bei, Russlands eigene Wirtschaft vom Dollar unabhängig zu machen und internationalen Sanktionen entgegenzuwirken”, so Ali.
Libyen als Zugang zur Sahelzone
Vieles spricht hingegen für Libyen als Standort für russische Kämpfer. Das energiereiche Libyen ist gespalten zwischen einer von den Vereinten Nationen anerkannten Regierung in der Hauptstadt Tripolis im Westen und der von General Khalifa Haftar unterstützten rivalisierenden Regierung, die von Benghazi und Tobruk im Osten aus regiert.
Libyen ist politisch gelähmt, wichtige Wahlen verschoben worden. Aber gerade mit seinen begrenzten staatlichen Strukturen sei das Land schon jetzt ein wichtiger Stützpunkt für Russland, betont Politikwissenschaftlerin Ali: So sei es leichter, Söldner-Einsätze durchzuführen.
Von Libyen aus erhalte Russland Zugang zur gesamten Sahelzone, sagt Ali. “Russland versorgt den Krieg in Libyen über Khalifa Haftar, indem es auch hier Waffen in die Konfliktzone und Gold aus dem Land schmuggelt. Es besteht die Möglichkeit, die Beziehungen zu Haftar zu vertiefen und Zugang zu anderen Konfliktgebieten zu erhalten.”
Allerdings bedroht die politische Instabilität in Libyen die strategischen Pläne Russlands und die Ambitionen, das dort bestehende Drehkreuz als regulären Militärstandpunkt auszubauen.
KAS-Experte Ulf Laessing weist auf einen weiteren Aspekt hin: Die Versorgung der Militärbasen auf dem afrikanischen Kontinent von Libyen aus sei zwar möglich, aber viel teurer für Moskau, das jetzt mehr Geld für den Krieg in der Ukraine brauche.
In Libyen seien die Materiallager kleiner als bisher in Syrien, die Flugdistanz dorthin von Russland größer als aus Syrien. Fluggenehmigungen müssten mit der Türkei abgestimmt werden. “Russland müsste erst einmal kräftig in diese Basis investieren, um Flüge in afrikanische Länder organisieren zu können”, so Laessing im DW-Interview.
Kein Ausbau russischer Präsenz
“In den letzten Wochen haben wir gesehen, wie militärische Ausrüstung aus Syrien ausgeflogen wurde, in den Osten Libyens”, fügt er hinzu. Russland unterstützt dort seit einiger Zeit den Machthaber Chalifa Haftar im Osten, der bereits vier Stützpunkte an Russland zur Nutzung übergeben hat.
Doch die Zukunft des 81-jährigen Haftar sei ungewiss, sagt Laessing. “Er hat die Beziehungen zum Westen gesucht, zu Frankreich, den USA und Italien. Bislang haben sie Druck auf Haftar ausgeübt, Russland keine weiteren Stützpunkte zu überlassen.”
Die Unterstützung durch Haftar sei unberechenbar, er sei kein Regierungsvertreter und Russland habe kein offizielles Abkommen mit ihm – wie zuvor mit Assad.
Laessing glaubt nicht, dass Russland in der Lage sein wird, in Afrika weiter zu expandieren oder neue Afrika-Korps-Abkommen zu schließen – schon allein aus logistischen Gründen. Vor allem nicht in den Tschad, einen jahrzehntelangen Verbündeten Frankreichs. Der tschadische Präsident Mahamat Déby hat die Beziehungen zu Moskau vertieft.
Russland werde aber “alle Anstrengungen unternehmen, um die Stützpunkte in Mali und der Zentralafrikanischen Republik – zumindest bis zu einem gewissen Grad – aufrechtzuerhalten.”