Villa Aurora und Thomas Mann Haus in Gefahr – DW – 09.01.2025
Kalifornien kämpft erneut mit heftigen Waldbränden, die insbesondere in der Region um Los Angeles wüten. Mehrere Menschen starben, knapp 2000 Gebäude wurden bereits von den Flammen zerstört. Die historischen Filmstudios in Hollywood sind bedroht – und auch die für Deutschland bedeutsame Villa Aurora. Eine im spanischen Stil erbaute Villa aus dem Jahr 1927, die einst als intellektuelles Zentrum für Exilanten diente, die vor den Nationalsozialisten geflüchtet waren. Sie liegt in unmittelbarer Nähe der Flammen. Ähnliches gilt für das berühmte Thomas Mann Haus.
“Die Bilder der Brände in Los Angeles erschüttern uns zutiefst”, heißt es in einer Mitteilung auf der Website der beiden Einrichtungen. “Glücklicherweise sind alle Stipendiaten und Mitarbeiter der Villa Aurora & des Thomas Mann House in Sicherheit. Welche Auswirkungen die Brände auf unsere beiden Häuser haben, wird sich erst in den kommenden Tagen vollständig zeigen. Die Lage in der unmittelbaren Umgebung der Villa Aurora ist besonders kritisch, und wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen.”
Bedeutende Zentren des Dialogs
Das Thomas Mann Haus und die Villa Aurora sind für Deutschland von großer kultureller Bedeutung. Beide dienen als Zentren des intellektuellen Austauschs und als Orte des Dialogs zwischen internationalen Stipendiaten. Die beiden Einrichtungen werden von einer Stiftung betrieben, die vollständig vom Auswärtigen Amt und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziert wird.
Die deutsche Bundesregierung erwarb das Thomas Mann Haus, die ehemalige US-Residenz des Schriftstellers und Nobelpreisträgers, im Jahr 2016, um es vor dem Abriss zu bewahren. Ziel war es, einen transatlantischen Dialog zu fördern und “einen Ort der Besinnung und Diskussion über die gemeinsamen Herausforderungen unserer Zeit” zu schaffen. Gleichzeitig soll das Haus “als Ort des Gedenkens an die Geschichte des Exils in all seinen Formen” dienen, wie auf der Website des Hauses beschrieben wird.
Angesichts der Gefahr durch die Waldbrände hat sich auch die deutsche Regierung besorgt geäußert. “Die Zerstörung dieser wichtigen Kulturstätten wäre eine kulturelle Katastrophe. Sie sind Symbole des Exils und der Freiheit der Kunst”, sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (DPA).
Wichtige Orte des Exils
Thomas Mann, Autor von Werken wie “Der Zauberberg” und “Joseph und seine Brüder”, floh 1938 vor den Nationalsozialisten in die USA. Von 1942 bis 1952 lebte Mann in einer Villa am westlichen Rand von Los Angeles. Während seiner Zeit im Exil avancierte Mann zur führenden Stimme der intellektuellen deutschen Exilgemeinde. “Deutschland ist, wo ich bin”, erklärte er seinen Unterstützern. Dank der finanziellen Förderung durch die deutsche Bundesregierung dient das Gebäude heute als Residenz für Stipendiaten aus aller Welt, die in verschiedensten Disziplinen arbeiten.
Auch die Villa Aurora besitzt eine einzigartige historische Bedeutung. Sie wurde 1943 von Martha und Lion Feuchtwanger, einem jüdischen Ehepaar, das vor den Nazis fliehen musste, erworben. Die Feuchtwangers machten die Villa zu einem Zufluchtsort für Exilanten aus Deutschland. Dort fanden regelmäßig Konzerte, Lesungen und Empfänge statt. Zu den berühmten Gästen zählten unter anderem der Dramatiker Bertolt Brecht, der Stummfilmstar Charlie Chaplin und der Komponist Hanns Eisler.
Heute vergibt die Stiftung Villa Aurora & Thomas Mann House jedes Jahr bis zu 20 Stipendien an Künstler aus den Bereichen Bildende Kunst, Komposition, Film und Literatur für einen dreimonatigen Aufenthalt in Los Angeles. Voraussetzung für die Teilnahme ist ein Wohnsitz in Deutschland, jedoch nicht zwingend die deutsche Staatsbürgerschaft. Dadurch kommen die Stipendiaten aus der ganzen Welt und arbeiten in einer Vielzahl von kreativen Disziplinen – von Film bis Literatur.
Inspiriert von Andalusien
Die Villa Aurora ist architektonisch ein wahres Juwel. Sie wurde in den 1920er Jahren im Stil des Spanish Colonial Revival als 14-Zimmer-Haus mit einer Fläche von 620 Quadratmetern erbaut und liegt inmitten üppiger Natur. Der ursprüngliche Bauherr, Arthur A. Weber, ließ sich bei seinem Entwurf von der Kathedrale von Teruel in der Nähe von Sevilla inspirieren, die er auf einer Reise durch Andalusien gesehen hatte. Keine Kosten wurden gescheut, um das Gebäude so “europäisch” wie möglich zu gestalten: Holzdecken wurden aus Spanien importiert und ein Renaissance-Brunnen kam eigens aus der Toskana. Lokale Elemente wie Wände aus Redwood-Holz und von der Malibu Tile Company gefertigte, maurisch inspirierte Fliesen rundeten das Design ab. Zudem war das Haus mit den neuesten technischen Annehmlichkeiten der 1920er Jahre ausgestattet – darunter eine Orgel, die Stummfilmvorführungen musikalisch untermalte.
Als Lion und Marta Feuchtwanger 1943 nach ihrer Flucht vor den Nazis in die Villa einzogen, war das Gebäude -.laut Marta Feuchtwangers Erzählungen – so heruntergekommen, dass sie die ersten Nächte in Schlafsäcken im Garten verbrachten. Schließlich sanierten sie das Anwesen und machten es zu einem Treffpunkt für Intellektuelle im Exil.
Adpation aus dem Englischen: Petra Lambeck