Kanzlerkandidaten werden auf Parteitagen bestätigt, Wahlprogramme verabschiedet, Wahlkampfauftritte geplant und der Ton in der Politik hat sich verschärft: In Deutschland hat die heiße Phase vor der Bundestagswahl am 23. Februar begonnen. Nach dem Aus der sogenannten Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP mussten kurzfristig Neuwahlen anberaumt werden. Nur noch sechs Wochen bleiben den Kandidaten und Parteien, um für sich zu werben.
Würde bereits jetzt ein neuer Bundestag gewählt, dann würden sich die Machtverhältnisse in Berlin deutlich verschieben. Das geht aus dem ARD-Deutschlandtrend hervor, für den das Meinungsforschungsinstitut infratest-dimap im Auftrag der Tagesthemen vom 6. bis 8. Januar 1323 wahlberechtigte Deutsche repräsentativ befragt hat.
CDU und CSU, die als Union gemeinsam antreten und derzeit die stärkste Oppositionskraft sind, haben im Vergleich zum letzten Deutschlandtrend zwar zwei Prozentpunkte verloren, würden bei einem aktuellen Wahlgang mit 31 Prozent aber vorne liegen. Die in Teilen rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) käme mit 20 Prozent auf Platz zwei. Die SPD, die derzeit den Bundeskanzler stellt, würde es mit 15 Prozent nur auf Platz drei schaffen. Knapp vor den Grünen (14 Prozent).
Die Linken-Abspaltung Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wahrt sich mit fünf Prozent Chancen auf den Parlamentseinzug. FDP und Linke hingegen nicht, sie kämen auf je vier Prozent.
So viel Unzufriedenheit gab es noch nie
Durchweg kritisch werden im ARD-Deutschlandtrend die Spitzenkandidaten der Parteien bewertet. Keiner von ihnen zieht mehr positive als negative Stimmen auf sich. Ein Novum bei den seit 1998 von infratest-dimap begleiteten Bundestagswahlen.
Zwar würden 31 Prozent der Wahlberechtigten für die Union stimmen, doch nur 25 Prozent sind mit dem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz zufrieden. Bei den Grünen sieht es genau umgekehrt aus. 14 Prozent Zustimmung zur Partei stehen 28 Prozent Zufriedenheit mit Kanzlerkandidat Robert Habeck gegenüber.
Rund jeder fünfte Befragte ist zufrieden mit Alice Weidel, Christian Lindner, Sahra Wagenknecht und Olaf Scholz. Der amtierende Bundeskanzler und Spitzenkandidat der SPD erntet allerdings die meiste Unzufriedenheit in der Umfrage. 77 Prozent geben ihm und seiner Arbeit schlechte Noten.
Migration und Wirtschaft wichtigste Probleme
Prägender als die Personalaufstellung der Parteien dürfte für den Wahlgang werden, wie die Bundesbürger die aktuelle Lage einschätzen – und welchen Parteien sie zutrauen, die Probleme zu lösen.
Gefragt nach den wichtigsten Problemen, die die Politik nach der Wahl angehen sollte, nennen 37 Prozent Flucht und Zuwanderung, ein gutes Drittel die Lage der Wirtschaft. Etwa jeden Siebten bewegt die krisenhafte außenpolitische Gesamtlage. 13 Prozent benennen den Umwelt- und Klimaschutz, elf Prozent soziale Probleme.
Die Themen Bildung, innere Sicherheit, Alterssicherung, Inflation und die medizinische Versorgung in Deutschland werden nur von sechs bis acht Prozent der Befragten als besonders wichtig eingeschätzt.
Wie kann die Wirtschaft wieder belebt werden?
Die Parteien machen im Wahlkampf unterschiedliche Vorschläge, wie die Konjunkturprobleme Deutschlands bewältigt werden könnten. Zustimmung finden im ARD-Deutschlandtrend Vorschläge, die auf eine Besserstellung der Arbeitnehmer zielen. Die Einführung steuerfreier Zuschläge für Überstunden befürworten 78 Prozent der Befragten, die Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro fänden 67 Prozent der Deutschen richtig.
Bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen genießt die Gewährung staatlicher Investitionshilfen (71 Prozent) mehr Unterstützung als eine generelle Senkung von Unternehmenssteuern (53 Prozent). Die Lockerung klimapolitischer Regularien wie die Abschaffung der CO2-Abgabe unterstützt knapp jeder Zweite. Kaum minder viele sympathisieren mit staatlichen Kaufprämien für deutsche E-Autos.
Eine Wiederbelebung der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen mit der Aufhebung von Russland-Sanktionen zum jetzigen Zeitpunkt fänden hingegen 61 Prozent schlecht.
Wie wollen wir zusammen leben?
Mehr Zusammenhalt in Deutschland, damit wirbt die SPD im Wahlkampf. Doch wie ist es um das Miteinander der Menschen bestellt? Trotz vielfältiger aktueller Krisen nehmen die Menschen in ihrem privaten Umfeld und ihren Netzwerken einen starken Zusammenhalt wahr. Sowohl in der eigenen Familie, im Bekannten- und Freundeskreis wie auch am Wohnort und Arbeitsplatz wird jeweils von großen Mehrheiten von einem guten Miteinander berichtet.
Im öffentlichen Raum sieht es weniger positiv aus. Jeder Zweite Befragte empfindet das Miteinander beim Einkaufen oder im Straßenverkehr eher negativ. Woran liegt das?
Aktuelle Probleme im Zusammenleben in Deutschland resultieren aus Sicht der Deutschen vor allem aus sozialen und kulturellen Unterschieden. Belastungen im öffentlichen Miteinander werden mehr oder minder gleichermaßen mit wirtschaftlichen Sorgen, Stress- und Krisenbelastungen verbunden.